Für mich war der Spiegel immer so etwas wie die Bild-Zeitung für Akademiker, leicht süffisant im Ton, intellektuell klugscheißerisch dahinplätschernd, ohne neue Ideen oder gar tiefgreifende Analysen. Und genauso verhält sich dieses Magazin auch bei seiner jüngsten Jagd. Wenn ich die bisherigen Berichte in den Medien richtig interpretiere, dann tritt da ein ehemaliger DFB Funktionär nach und weite Teile der Presse helfen beim Nachtreten. Fürs Nachtreten gibt es beim Fußball normalerweise die rote Karte.
Man musste bei dieser Jagd dabei sein, da war doch etwas Großes zu erlegen. Was wäre das für eine Sensation, wenn man nachweisen könnte, dass Deutschland die WM 2006 gekauft hat. Da müssen wohl sadomasochistisch veranlagte Menschen am Werk sein, die voller Genuss das eigene Land besudeln und andere Menschen zerstören wollen. Wie groß die Lust an der Selbstzerstörung ist, zeigt sich daran, dass überhaupt keine handfesten Beweise für eine gekaufte WM vorliegen, sondern nur vage Vermutungen. Es ist die reine Lust an der Selbstbeschmutzung. Dabei glaubt man auch noch, etwas ganz Großes zu vollbringen. Möglichst viele Medienvertreter möchten wohl dabei sein, wenn sich die Medien hinterher als die moralischen Saubermänner feiern lassen. Endlich haben wir Deutschen es geschafft, uns vom Thron zu stoßen. Man kann sich das masochistische Geseufze so richtig vorstellen.
Gott sei Dank wird die Selbstzerfleischung international noch nicht so richtig wahrgenommen, vorerst. Meine ausländischen Freunde schütteln nur den Kopf, wenn ich ihnen von diesem angeblichen Selbstreinigungsprozess erzähle. Besonders perfide finde ich es, dass man Franz Beckenbauer als Gallionsfigur benutzt hat, um die WM nach Deutschland zu holen und ihn dann nach getaner Arbeit zu demontieren versucht. Was für ein billiger Journalismus! Nach dem Beckenbauer–Interview in der SZ scheinen die Vorwürfe beileibe nicht das Gewicht zu haben, das man am Anfang vortäuschte.
Ich muss an die Treibjagd auf den vormaligen Bundespräsidenten erinnern. Dass man Wulff damals zu Unrecht erlegt hatte, hat das Unrecht nicht rückgängig gemacht. Irgendwas bleibt hängen. Mich würde es nicht wundern, wenn für größere Sportveranstaltungen Deutschland unberücksichtigt bliebe. Letztendlich muss jedes Mitglied eines Organisationskommites befürchten, von irgendeinem deutschen Magazin Jahre später vor den Richter gezerrt zu werden, weil eine Einladung zum Abendessen oder der Besuch eines Konzerts als massive Bestechung angesehen werden. Den Mitbewerbern kann dies nur recht sein.