Vor der Fußballweltmeisterschaft 2018 schrieb eine renommierte Zeitung, dass Mats Hummels nicht mehr in die Nationalmannschaft gehöre, da ihm jene Schnelligkeit abhanden gekommen sei, die man als Verteidiger bräuchte. Der Kommentator schrieb weiter, dass mit der Nominierung von Manuel Neuer das Leistungsprinzip ausgehebelt werde. Der bessere Kandidat wäre ter Stegen. Der Mann hatte mit seinen Prognosen recht.
Jetzt beklagen sich viele über Löws Entscheidung, mit Boateng, Hummels und Müller drei zwar verdiente aber doch nicht mehr ganz so junge Spieler aus dem Kader genommen zu haben. Nach dem Spiel der Bayern gegen Liverpool mag sich Löw ins Fäustchen gelacht haben. Heute las ich in den Zeitungen, dass bei den Bayern eine Ära zu Ende ginge und es höchste Zeit für einen Neuanfang sei. Oder will Uli Hoeneß seine alternden Stars solange im Kader lassen, bis denen „der Kalk aus den Hosen rieselt“ wie ein Kabarettist meinte?
Allerorten wird das Abschneiden der deutschen Clubs in der Champions League bedauert mit dem Verweis darauf, dass es schlecht bestellt sei um das Niveau in der Bundesliga. Dass es soweit gekommen ist, hängt sicher auch mit der Strategie der Münchner Vereinsführung unter dem Macher Uli Hoeneß zusammen. Die Münchner haben in den letzten Jahren immer wieder sehr gute Spieler just aus den Clubs gekauft, die ihnen im Kampf um die deutsche Meisterschaft hätten gefährlich werden können. Man denke nur an Götze, Lewandowski und Hummels, durch deren Abgang dem BVB quasi der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Neuer kam von Schalke und Timo Werner spielt noch!! bei RB Leipzig. Sandro Wagner wurde den Hoffenheimern abgekauft. Die Liste ließe sich beliebig weiterführen.
Mit diesen Käufen hat der FC Bayern seine Konkurrenten geschwächt und es sich leicht gemacht beim Kampf um den deutschen Meistertitel. Das rächt sich nun. Die Einkaufspolitik von Hoeneß, Rummenigge und Co war zwar kurzfristig erfolgreich, langfristig aber hat sie der Bundesliga und dem Club geschadet. Im Internet bezeichnete ein Kommentator den FC Bayern nach dem Liverpooldebakel als Scheinriesen. Dieses Bild bestätigt meine Analyse. Wenn man die anderen zu Zwergen macht, kann man leicht groß dastehen. Nicht nur die Einkaufspolitik auch die Verkaufspolitik war ungeschickt. Warum ließ man einen Lewandowski, der unbedingt gehen wollte, nicht ziehen? Der Verkauf hätte viel Geld gebracht, das man gut in junge Spieler hätte investieren können. Warum ließ man Boateng nicht nach Paris wechseln? Ribery ist in dieser Saison sicher noch gut für die Bundesliga, aber nicht mehr gut genug für die Champions League. Robben ist mehr mit dem Ausheilen seiner Blessuren beschäftigt als ein tragender Pfeiler in der Mannschaft.
Der Deal mit BMW könnte Geld in die Kassen spülen, das man dringend für einen Neuaufbau der Mannschaft braucht. Jogi Löw, dem Uli Hoeneß ein Gespräch unter vier Augen angedroht hat, versucht gerade den überfälligen Umbruch. Mal sehen, wem der Umbruch besser gelingt, dem Hoeneß oder dem Löw. Ich hoffe er gelingt beiden. Hoeneß hat es dabei etwas schwerer als Löw, da man in der Champions League in einem System spielt, das in der Zwischenzeit vom ganz großen Geld bestimmt wird, leider. Und da können wir Deutschen nicht mithalten. Mit viel Geld kann man Spieler einkaufen, die jenseits von taktischen Vorgaben durch ihre spielerische Brillanz eben jene Überraschungsmomente in ein Spiel einbringen, die letztlich spielentscheidend sind. Vielleicht wäre grundsätzlich wieder mehr Spiel und weniger Taktik angesagt. Der Umbruch wird auf jeden Fall nicht schmerzfrei vonstatten gehen. „Schaun mer mal“ würde Franz Beckenbauer sagen.
Andreas Angermeir